Ich komme von einem eineinhalb-stündigen „Kaffeeklatsch“, bei dem ich gegen Ende schon wieder mit allem überfordert war, zurück in meine Wohnung. Ich setze mich auf das Fensterbrett und starre das Feld vor dem Fenster an. Ich merke, dass ich überhaupt nicht entspannt, sondern eher wie versteinert bin, und gleichzeitig das Gefühl habe, es ist alles zu viel, die ganze Welt geht mir so dermaßen auf die Nerven, und ich weiß nicht, wie ich dieses Gefühl der Überreizung und Überforderung loswerde und was ich jetzt als nächstes machen soll. Irgendwann stehe ich auf, bewege mich in die Küche und versuche mich mit Essen zu betäuben. Anschließend weine ich eine Weile und höre meine aktuellen Dauerschleifen-Songs. Dann will ich mich zum spazieren gehen aufraffen, weil ich Natur brauche. Doch ich merke, dass ich viel zu viel Spannung in mir habe um rauszugehen. Ich weine aus Verzweiflung eine Weile weiter und zwicke mich in den Arm, weil ich irgendeinen Schmerzreiz brauche. Dann drehe ich Simple Plan „Welcome to my life“ und „Untitled“ laut auf und schreie mir die Songs aus der Kehle (und hoffe, dass meine Oma in der Wohnung unter mir ihr Hörgerät nicht im Ohr hat). Während die Musik immer noch aufgedreht ist, schlage ich aus voller Kraft mit einem Kugelschreiber Löcher in einen leeren Karton und zerreiße ein paar andere Papier- und Kartonstücke. Schließlich fühle ich mich in der Lage, die Wohnung zu verlassen, und habe das Glück, dass es kurz vor Sonnenuntergang bei bewölktem Wetter ist – was bedeutet, es sind nicht mehr viele Menschen unterwegs, und wenn, dann werden sie bald in der Dunkelheit verschwinden. Ich mache einen 4km langen Spaziergang, bei dem ich vor allem bergauf ordentlich aus der Puste komme, und auf gerader Strecke spontan ein paar Lauf-Einheiten einlege, um Energie abzubauen. Ich bin echt dankbar, dass ich so nahe an der Natur wohne, und dass ich mir bei solchen Aktionen keine Gedanken mehr über CFS mache – so kann ich mit der Autismus-bedingten Überforderung und Reizüberflutung besser umgehen. Es ist nicht sonderlich angenehm, aber es fühlt sich nach Leben an. Und danach bin ich innerlich ruhiger – zumindest bis zum nächsten Meltdown.