Lebensfreude

Veröffentlicht am 12. November 2025 um 16:01

Während ich am ersten Teil meines Buches arbeitete, fiel mir auf, dass ich fast vergessen hatte, wie optimistisch und lebensfroh ich mal gewesen war. Die positive Lebenseinstellung, die Motivation, weiterzumachen, und die Lebensfreude sprangen mir förmlich aus den Texten entgegen. Doch rückblickend betrachtet war es eine oberflächliche Freude ohne Tiefe. Eine Freude, die davon abhängt, ob das Leben „gut läuft“, und verbunden ist mit der Hoffnung, dass es irgendwann in der Zukunft besser sein würde als im jetzigen Moment. Um keinen Preis der Welt würde ich die im Laufe der Zeit entstandene Tiefe, das Gefühl von Ganzheit und die Verbundenheit mit dem Jetzt gegen diese damals empfundene Freude eintauschen wollen – ganz egal, in welchem Zustand und in welcher Emotionslage ich mich befinde. Es ist ein Unterschied, ob Lebensfreude aus dem Kopf kommt oder aus dem tiefen Inneren des ganzen Körpers. Letztere ist immer da, auch wenn vielleicht gerade Traurigkeit, Wut, Verzweiflung, Angst oder körperliche Symptome darüber liegen.

Neulich hat mir Spotify zufällig den Song „Geboren um zu leben“ von Unheilig ausgespuckt. Ein Song, den ich ewig nicht mehr gehört hatte, dessen Musik mich früher schon berührt, aber dessen Text ich nie so richtig hinterfragt oder gefühlt hatte. „Ich sehe einen Sinn, seitdem du nicht mehr bist, denn du hast mir gezeigt, wie wertvoll mein Leben ist. […] Wir waren geboren um zu leben für den einen Augenblick, weil jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist.“ Als ich ihn jetzt wieder hörte und zu meiner Playlist mit Songs zum Thema Tod hinzufügte, hatte ich den Gedanken, dass ich diese Playlist wohl zwangsläufig irgendwann brauchen würde – es sei denn, ich wäre die erste, die aus meinem engeren Umfeld sterben würde. Und dabei fiel mir auf, dass ich das nicht sein will, und dass es mir nicht mehr egal ist, ob ich jung oder alt sterben werde. Mir kamen fast die Tränen, weil ich spürte, dass ich seit Jahren endlich mal wieder das Gefühl habe, richtig Bock auf mein Leben zu haben, leben zu wollen, nicht zu müssen. Ich will nicht mehr nur für mein Umfeld weiterleben, sondern für den Augenblick. Ich will innerhalb meiner Möglichkeiten das Beste aus meinem Leben rausholen und so tief wie möglich in jeden einzelnen Moment eintauchen – um der echten Lebensfreude zu begegnen.

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