Da ich mit meiner ASS-Diagnose nun einen GdB (Grad der Behinderung) beantragen konnte, wollte ich mich hierfür bei der EUTB beraten lassen. Ich war froh, dass ich zeitnah einen Termin bekam, den ich unkompliziert per Mail vereinbaren konnte.
Ich ging mit dem dezenten Gefühl zum Termin, dass ich mich rechtfertigen musste – für meine Einschränkungen, für meine Symptome, für einen entsprechend hohen GdB – weil das aufgrund vergangener Erfahrungen so in mir verankert war. Dieses Gefühl wurde mir jedoch im Laufe des Gesprächs sehr schnell genommen. Die Beraterin war mir vom ersten Moment an sympathisch. Da ihr Sohn auch Autist war, war das Thema Autismus für sie, wie sie sagte, eine Herzensangelegenheit – und das spürte man.
Als wir vom Telefon unterbrochen wurden, wollte sie es klingeln lassen und weiterreden, kam aber zu dem Schluss: „Das lenkt Sie jetzt wahrscheinlich ab, dass das nebenbei klingelt oder?“ Nachdem ich bejahte, meinte sie: „Ok, dann warten wir kurz.“ Das gab mir das Gefühl, gesehen und akzeptiert zu werden, so wie ich bin. Auf die Frage, warum ich denn einen so hohen GdB wollte, erklärte ich: „Ich habe einfach keine Kraft mehr, permanent eine Rolle zu spielen und so zu tun, als wäre ich so wie alle anderen. Und wenn ich in Bezug auf CFS gesund bin, will ich auf jeden Fall wieder arbeiten, aber das geht eben nur, wenn auf den Autismus genügend Rücksicht genommen wird.“ Sie bestätigte mich, dass das total Sinn mache, da ich mit einem höheren GdB auch mehr Möglichkeiten auf entsprechende Unterstützung im Arbeitsleben haben würde. Sie finde es sehr schade, wenn die Kompetenz von Autist:innen verschenkt werde, nur weil man es nicht schaffe, ihnen eine angemessene Umgebung zu kreieren – was oft schon durch eine Trennwand, eine ruhige Umgebung oder ein eigenes Büro möglich sein würde. Das Schreiben meiner ehemaligen Therapeutin als Einschätzung für das GdB-Feststellungsverfahren (welches bei mir vor allem die Wut wieder hochkochen hatte lassen, aber auch Frustration, Verzweiflung und Trauer ausgelöst hatte) kommentierte die Beraterin sinngemäß ungefähr so: „Ja, da gehören Sie leider zu den vielen Menschen, bei denen ME/CFS auf die Psyche geschoben wird... und der Rest wird einfach unter den Tisch gekehrt.“ Es war für mich eine ungewohnt positive Erfahrung, ohne wenn und aber ernst genommen zu werden.
Sie erzählte noch kurz von ihrem Sohn, der mit Pyrotechnik seine Nische gefunden hatte, und ermutigte mich, am Schreiben dran zu bleiben – trotz Schneckentempo. Immer kleine Schritte zu machen, einen nach dem anderen, sei etwas, das sie nicht nur durch ihren Sohn im Leben gelernt habe. Und wenn so viel Leidenschaft hinter etwas stecke, würde man auch irgendwann entdeckt werden.
Für einen entsprechend hohen GdB und damit für entsprechende Unterstützung so sehr kämpfen zu müssen, gibt mir das Gefühl, dass man mit Einschränkungen in der Gesellschaft nicht erwünscht ist. Im Gegensatz dazu ist es wie ein Lichtblick, wenn man in einer (kostenfreien) Beratungsstelle an die passende Person gerät. Ich habe mich verstanden, respektiert und wertgeschätzt gefühlt – was für mich definitiv nicht selbstverständlich ist, obwohl es das eigentlich sein sollte.
Kommentar hinzufügen
Kommentare