Der vor kurzem stattgefundene Angriff auf eine Einrichtung der Lebenshilfe mit der Botschaft „Euthanasie ist die Lösung“ hat einiges in mir ausgelöst. Natürlich in erster Linie weil Aktionen wie diese menschenverachtend und absolut nicht tolerierbar sind. Aber abgesehen davon habe ich mich auch persönlich angegriffen gefühlt – da ich seit 8 Jahren arbeitsunfähig bin, und somit auch zu dem Teil der Gesellschaft gehöre, der aus Sicht mancher Menschen weniger wert ist.
Nach längerem Nachdenken musste ich erschreckend feststellen, dass ich tief im Inneren nicht so weit entfernt war von dieser „mehr oder weniger wert“ Sichtweise. Denn trotz jahrelanger innerer Arbeit hatte meine berufliche Situation immer noch massiven Einfluss auf mein Selbstwertgefühl. Solange ich nicht arbeiten und Geld verdienen konnte, hatte ich es auch nicht verdient, mein Leben zu genießen – so dachte ich. Aber wenn ich mich selbst abwerte, aufgrund von einer bestimmten Lebenssituation, weil ich weniger belastbar bin, weil ich anders bin als die Mehrheit der Menschen, oder weil mein Beitrag zur Gesellschaft sich nicht in Euro messen lässt, dann werte ich damit auch alle Menschen ab, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden wie ich.
Als mir das bewusst wurde, hat es einen Schalter in mir umgelegt. Ich darf mich unabhängig von äußeren Umständen wertvoll fühlen – und zwar nicht nur für mich selbst, sondern auch für andere. Seitdem schaue ich mit einem anderen Blick in den Spiegel. Man kann Emotionen und tiefliegende destruktive Glaubenssätze zwar nicht von heute auf morgen auflösen, aber die Sichtweise auf Verstandesebene ändern schon. Und ob ich mich – und damit auch alle anderen Menschen – mit allen Licht- und Schattenseiten als wertvoll erachte, ist eine bewusste Entscheidung.
(08.06.2024)
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